Füttern eines Babys mit besonderen Bedürfnissen
Anzeichen für Probleme beim Füttern
Häufige Probleme bei der Nahrungsaufnahme aufgrund von neurologischen Beeinträchtigungen:
- Hypotonie oder «Floppy-Infant-Syndrom», tritt mit oder ohne Muskelschwäche auf und verursacht Anomalien bei der Kontrolle der oropharyngealen Strukturen, was zu schwachem oder unkoordiniertem Saugen führt
- Schwache Saug-, Schluck- und Würgereflexe
- Zu geringe Wachsamkeit und Energie für das Stillen
- Schluckbeschwerden, besonders bei Babys mit Zerebralparese
- Übermässige Hyperextension von Nacken und Schultern, wodurch die Positionierung der Zunge und die Kieferbewegung beeinträchtigt werden
- Atemwegserkrankungen, die das Atmen und Schlucken erschweren
- Langsame Gewichtszunahme
- Weitere Risiken für Stillprobleme und Entwicklungsverzögerungen
Häufige Probleme bei der Nahrungsaufnahme aufgrund einer Lippen-Kiefer- und/oder Gaumenspalte:
- Babys mit einer Lippen-Kiefer- und/oder Gaumenspalte können die Brust häufig nicht richtig umschliessen. Da die Mundhöhle während des Fütterns nicht ausreichend von der Nasenhöhle getrennt ist, können die Babys – wenn überhaupt – nur unter großen Schwierigkeiten ein Vakuum erzeugen, um die Milch aus der Brust oder Flasche zu saugen.
- Als Folge sind diese Babys während des Stillens schnell erschöpft, das Stillen dauert länger und das Wachstum und die Nahrungsaufnahme werden beeinträchtigt
- Die Größe und Lage der Lippen-Kiefer- und/oder Gaumenspalte des Babys bestimmt, ob und wie es gestillt werden kann. Belege zeigen, dass das Stillen nach einer Lippen-Kiefer- oder Gaumenspaltenoperation begonnen oder wieder aufgenommen werden kann
Untersuchung von Stillproblemen
- Babys mit besonderen Bedürfnissen müssen früh durch Spezialisten verschiedener Disziplinen untersucht werden, um die Probleme des Babys bei der Nahrungsaufnahme zu erkennen und über das weitere Vorgehen zu entscheiden
- Bei jedem Säugling mit besonderen Bedürfnissen sollte untersucht werden, ob er gestillt werden kann. Falls das Stillen oder das ausschliessliche Stillen nicht möglich ist, kann die Mutter alternativ beim Aufbau einer hinreichenden Milchbildung unterstützt werden, sodass der Säugling mit abgepumpter Muttermilch gefüttert werden kann.
- Aufgrund der gesundheitlichen Vorteile für Mutter und Baby sollte das Stillen oder Füttern mit Muttermilch gefördert werden
Management
Betreut durch ein interdisziplinäres Ärzteteam und einen Laktationsspezialisten können die folgenden evidenzbasierten Strategien umgesetzt werden:
- Hautkontakt nach der Geburt: Er verlängert nachweislich die Stilldauer und sollte unbedingt praktiziert werden
- Ist das Füttern an der Brust schwierig oder nicht möglich oder sind Mutter und Baby voneinander getrennt, so sollte frühzeitig nach der Geburt mit dem regelmässigen Abpumpen der Muttermilch begonnen werden
- Methoden zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Milchproduktion:
- Das Stillen gleich nach der Geburt ist von grosser Bedeutung. Abpumpen in der ersten Stunde kann mehr Milch entnehmen als Abpumpen in den ersten sechs Stunden und führt zu einer gesteigerten Milchproduktion in den darauffolgenden Wochen
- Häufiges Abpumpen ist ebenfalls wichtig. Mütter, die auf das Abpumpen von Muttermilch angewiesen sind und dies mehr als sechs Mal täglich tun, bilden mehr Milch als Mütter, die weniger häufig abpumpen. Mütter, die ihre Milch abpumpen müssen, sollten etwa acht bis zwölf Mal pro Tag (24 Stunden) abpumpen.
- Falls das Baby nur über eine begrenzte Saugfähigkeit verfügt, kann dies zu niedriger Milchproduktion führen. Die Empfehlungen zur Steigerung der Milchproduktion sollten dann befolgt werden
- Möglicherweise muss eine medizinische Fachkraft, z. B. ein Sprachtherapeut oder Ergotherapeut, in Anspruch genommen werden, um das Stillen zu optimieren. Wenn das Baby an der Brust trinken kann, können folgende Methoden beim Stillen helfen:
- Eine Unterstützung der Kinn-, Wangen- und Kieferbewegungen kann dabei helfen, ein stärkeres Saugmuster zu erreichen, falls die orale Bewegungskontrolle gering ausgeprägt ist oder das Saugen schwach oder unorganisiert erfolgt.
- Eine Änderung der Position und des Anlegens kann das Stillen unterstützen. Verschiedene Positionen können für Säuglinge mit Lippen-Kiefer- und/oder Gaumenspalte oder mit besonderen Bedürfnissen hilfreich sein
- Falls die Mutter teilweise stillt, muss sie regelmässig Milch abpumpen und die Stillmahlzeiten durch eine alternative Vorrichtung ergänzen
- Nahrungsergänzungen können nötig sein
- Die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, einschliesslich Menge, Häufigkeit des Milchtransfers und Gewichtszunahme, müssen bei der Festlegung der Fütterungsmethode ständig überwacht werden.
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