Expertenrunde unterstützt die Bedeutung der Muttermilch während COVID-19
Nach dem großen Erfolg des virtuellen Runden Tischs mit internationalen Experten veranstaltete Medela Deutschland kürzlich einen zweiten Runden Tisch, um die Auswirkungen von COVID-19 auf das Stillen auf nationaler Ebene zu thematisieren.
Diesmal trafen sich 10 renommierte ExpertInnen für Stillen und Laktation aus Deutschland, darunter Silke Mader (EFCNI), Aleyd von Gartzen (DHV), Prof. Dr. med. Ursula Felderhoff-Müser (Kinderklinik Universitätsklinikum Essen), Dr. med. Monika Berns (Charité - Universitätsmedizin Berlin), Prof. Dr. med. Michael Abou-Dakn (Frauenklinik St. Joseph Krankenhaus Berlin), Thomas Kühn (Vivantes Klinikum Berlin-Neukölln), Vera Hesels (WHO/UNICEF-Initiative BABYFREUNDLICH) und Dr. med. Johannes Middelanis (Sankt Elisabeth Hospital Gütersloh).
Die TeilnehmerInnen tauschten sich über die aktuelle Studienlage und über Herausforderungen und alte wie neu gewonnene Erkenntnisse in Zeiten von Covid-19 aus:
- Die ExpertInnen waren sich einig, dass es laut aktueller Studienlage keine Kontraindikationen zum Stillen bei Frauen mit COVID-19 gibt. Das Stillen sei weiterhin absolut zu fördern und die Studienlage, insbesondere der hohe Antikörperstatus, zeige einmal mehr die Bedeutung von Muttermilch – auch und gerade in Zeiten von COVID-19. Voraussetzung sei jedoch, dass die Mütter beim Stillen und beim Abpumpen von Muttermilch aufgeklärt und die entsprechenden Hygienemaßnahmen einhielten. Diese positive Botschaft zu vermitteln und entsprechende Aufklärung bei Fachpersonen und Eltern zu betreiben, sei jetzt wichtig.
- Als eine der Herausforderungen der vergangenen Monate nannten die TeilnehmerInnen die anfängliche Verunsicherung, wie mit Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Mutter und Kind umgegangen werden solle, insbesondere bei infizierten Frauen. Dies führte zu Irritationen bei Fachpersonen und Eltern. Die Expertenrunde war sich einig, dass auch während COVID-19 nicht auf den Hautkontakt zwischen Mutter und Kind verzichtet werden dürfe, da er für die Stabilisierung des Kindes und Unterstützung des Stillens von besonderer Bedeutung ist. Eine Trennung von Mutter und Kind sollte unbedingt vermieden werden, flexible Mutter-Kind-Zimmer für Corona-Patienteninnen könnten hierbei helfen.
- Als weitere Problematik gerade zu Beginn der Pandemie stellte sich der Mangel an Still- und Laktationsunterstützung dar, der dazu führte, dass einige Frauen weniger stillten oder das Stillen frühzeitig beendeten. Die fehlende Stillunterstützung spürte man einerseits auf den Wochenbettstationen, u.a. da freiberufliche Hebammen zunächst der Zutritt zu Kliniken verwehrt war. Aber auch der Wunsch vieler Mütter, ambulant zu entbinden, und auf die erste Stillbetreuung im Klinikum zu verzichten, führte mancherorts zu einer Überlastung der freiberuflichen Nachsorgehebammen in Deutschland. Dadurch waren insbesondere Mütter, die sich zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht ausreichend mit dem Thema Stillen beschäftigt hatten, benachteiligt und verunsichert. Die ExpertInnen plädierten daher dafür, Online-Stillberatungsangebote weiter auszubauen und Mütter schon vor der Geburt hinreichend durch Hebammen oder Still- und Laktationsberaterinnen auf das Stillen vorzubereiten.
- Die eingeschränkten Besucherregelungen empfanden viele Eltern – vor allem bei der Geburt im Kreißsaal – als besonders negativ, zumal in einigen Häusern zeitweise nicht nur Familien, sondern auch Väter keinen Zutritt hatten. Dies führte bei den betroffenen Müttern zu zusätzlichem Stress. Auch die Betreuung von Müttern, deren Kinder auf die Neonatologie verlegt wurden, war zeitweise problematisch, da in einigen Häusern niedergelassenen Hebammen zu Beginn der Pandemie der Zutritt verboten war. Die teilweise Lockerung der Besucherregelungen halfen an dieser Stelle.
- In diesem Zusammenhang diskutierten die ExpertInnen ebenfalls über die Stillquote in Deutschland. Marktforschungen ergaben, dass ca. 8% der Mütter, die während COVID-19 in Deutschland entbunden haben, sich aufgrund von COVID-19 entschieden, nicht zu stillen, das Stillen zu beenden oder weniger zu stillen/zu pumpen (vgl. Innofact A: Wirkung des Coronavirus, 2020). Die TeilnehmerInnen haben die Stillrate allerdings als weitestgehend stabil empfunden. Dies könnte laut deren Einschätzung daran liegen, dass die Mütter nach der Geburt aufgrund der Besuchereinschränkungen mehr Ruhe und Zeit für sich, ihr Baby und das Stillen hatten. Dies wäre ein positiver Nebeneffekt der COVID-19 Restriktionen, dennoch unterstrich die Expertenrunde mehrfach, dass die Fortschritte der letzten Jahre in der familienzentrierten Pflege nicht aufs Spiel gesetzt werden sollten und die positiven Effekte der Besucherrestriktionen nicht über den Bedürfnissen der Eltern stehen dürften. Seitens der Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen herrschen enorme Bedenken, dass restriktive Besucherregelungen auch nach COVID-19 erhalten bleiben.
Weitere Informationen zum Thema Schwangerschaft und Stillzeit während COVID-19 sowie Informationen zur aktuellen Studienlage finden Sie auf unserem COVID-19 Informationszentrum.